Popup Picknics
WOHER WISSEN WIR, WAS MAN GEGESSEN HAT?
Die Quellen:
Wie auch mit allen anderen rekonstruierten Ausrüstungsgegenständen haben wir bei der Ernährung schriftliche, bildliche und archäologische Quellen. Während Abbildungen uns Aufschluss über Tischsitten und Arten der Anrichtung geben, sind archäobotanische Quellen besonders hilfreich, etwas über die Ernährung und damit der Lebenswelt im Mittelalter herauszufinden. Neben verkohlten Pflanzenresten sind es vor allem Kerne, Fruchtreste und Pollen aus Feuchtböden wie Brunnen oder Latrinen, die sich sehr genau datieren lassen. Dazu kommen Knochenreste, die von der Vielfalt der verzehrten Tierarten zeugen. Schriftliche Quellen wie Speisefolgen, Rezeptbücher, Pflanzenlisten, teilweise auch Verordnungen und Zeitzeugenberichte sind ebenso wertvoll, wenn sie reflektiert erforscht werden.
Gemüse
Die Bergung von Gemüsepflanzen ist selbst in Feuchtböden kaum möglich. Knollengemüse haben sich zum Teil erhalten, wie z.B Sellerie in Köln und Neuss im Spätmittelalter oder Pastinaken in Göttingen, Neuss und auf Burg Eschelbronn. Schriftliche Erwähnungen besonders vieler Gemüsepflanzen finden sich sehr früh z.B. im „Capitulare de villis – Karls des Großen“, dem „Klostergartenentwurf St. Galen“ (9.Jh.) oder in den Werken der Hildegard von Bingen (12. Jh.). Auf dieser Basis lassen sich im Hochmittelalter Gemüsesorten belegen wie z.B.: Rüben, Knoblauch, Kohl, Mangold, Ackerbohnen, Meerrettich, Porree, Spinat, Liebstöckel, Brennessel. (1)
Hülsenfrüchte
Auch Hülsenfrüchte spielen eine wichtige Rolle, weil sie getrocknet sehr lange haltbar sind und durch ihren Eiweißgehalt die getreidereiche Ernährung sinnvoll ergänzen. Linse, Erbse, Feld- und Ackerbohne sind mit den ersten Ackerbauern nach Europa gekommen und seitdem beständig nachweisbar. (2)
Getreide und Brot
Das Getreide ist unbestritten das wichtigste Grundnahrungsmittel. Mit dem guten Klima und den relativ stabilen politischen Verhältnissen wächst im Hochmittelalter die Bevölkerung stetig und der Getreideanbau erreicht einen Höhepunkt, wie zahlreiche Pollendiagramme anschaulich zeigen. Während im 13. Jh. neben Hafer, Hirse und Gerste, vor allem Weizen, Roggen und Dinkel die wichtigsten Getreidesorten sind, ist im Spätmittelalter eher der Roggen dominierend. Die wichtigsten Grundlagen, das Bäckerhandwerk zu erforschen, ist einerseits das Getreide und andererseits das Treibmittel. Außerdem gilt es die zeitgenössischen Formen des Backwerks festzustellen. Während einige Getreidesorten vor allem gekocht als Brei verzehrt wurden, wie z.B. Hafer, Gerste oder Hirse, sind andere besser als Rohstoff für Brote geeignet. Brot aus Hafer oder Gerste herzustellen ist allerdings auch durch Textquellen belegt:
Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und –geschichte 1940 – 1999 S. 590:
„…Dem Haferbrot muss also besonderer Nährwert zugesprochen worden sein. Durch die Frontes rerum Berensium (II 642) ist Haferbrot im Jahre 1266 auch im Kloster Interlaken belegt. „
Bevor das Brot mit Sauerteig getrieben wurde, hat man aus Getreidebrei dünne Fladen gebacken, die vermutlich den mittelamerikanischen Weizentortillias, dem türkischen Dürüm oder auch den französischen Crêpes geähnelt haben. Diese Form des Brotes blieb neben dem Sauerteigbrot erhalten. Hinweise darauf finden wir unter der Bezeichnung „fochanza“.
Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und –geschichte 1940 – 1999 S. 590:
Es wurde erstmals im 11. Jh.von den Cot. Vat. 1701 und Clm. 14689 genannt. Der Name ist vom Lateinischen (focus= Herd, Pfanne, Feuer; span. Forgaza, frz. Fousse, ags. Foca) übernommen worden. Dieses Brot wurde ursprünglich aus Weizen in der Herdasche gebacken und im Spätmittelalter auch Aschebrot genannt. Teilweise entwickelte es sich aber zum Feinbrot, denn es wird in der mittelhochdeutschen Literatur „wiz alsam der sne“ gepriesen. Dabei durfte es sich um das „semalvochenza“ – Brot (also aus Weizen) gehandelt haben.
Im 12. und 13. Jahrhundert gibt es erste schriftliche und bildliche Quellen für aufgetriebenes Brot. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Entwicklung mit dem herausbilden des Bäckerhandwerks in den wachsenden Städten einhergeht. Das Brot wurde in großen Mengen hergestellt und die Professionalisierung bewirkte eine Qualitätssteigerung der Produkte, so wie in vielen anderen Gewerken auch.Mitte 13. Jahrhundert.
Bertholt von Regensburg. Predigten, Band 1, S. 16ff:
Trotz Lug und Trug, wir können Kaufleute nicht entbehren […] Denn es ist heutzutage Lug und Trug so allgemein verbreitet, dass sich niemand mehr dessen schämen will. So ist derjenige ein Betrüger bei seinem Handel, der Wasser für Wein verkauft und Luft für Brot anbietet, weil er es mit Hefe so auftreibt, dass es innen hohl wird. Und wenn der Käufer meint, er habe richtiges Brot, so ist es hohl und nur leere Rinde.[…]
Bertold von Regensburg (gest. 1272) der Franziskanermönch predigte in Regensburg, Landshut, Speyer, Colmar, Zürich, Konstanz und Augsburg, ferner in Österreich, Böhmen und Ungarn.
Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und –geschichte 1940 – 1999 S. 591:
Bruder Berthold von Regensburg vermerkte im 13. Jahrhundert (I, 301, 2 ff):“ daz daz brot (beim Abendmahl) in aller werlte deheiner andern slahte sin sol danne von weizen oder von weizen gesehlte, und sol derbe (ungesäuert) gebakken sin, ane gerwen, unde sinewel“. Demnach durfte also für das Abendmahl nur ungesäuertes Brot aus Weizen oder einer Weizenart (Dinkel) verwendet werden.
Man verzichtete bewusst auf das Sauerteigbrot, eine Tradition die zur Abendmahlfeier bis heute beibehalten wurde. Im Laufe des 14. Jhd. werden die Brote großer und höher, die Formen vielfältiger. Auch tauchen hier zum ersten Mal Brötchen auf.
Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und –geschichte 1940 – 1999 S. 604:
…Das Alltagsbrot im 13. Jh. bestand aus flachen oder 4-5cm hohen Rundbroten oder solcher in kleinerer, halbkugeliger Form. Voll ausgebildete Rund- oder Langbrote traten erst im 15. Jh. auf…
Entwicklung des Fleischkonsums
In allgemeinen Werken zum mittelalterlichen Alltag wird oft ein recht hoher Fleischkonsum von 100kg pro Kopf und Jahr angenommen. Man muss diese Zahl etwas weiter in Zeitabschnitten und soziale Stellung der Menschen differenzieren.
Im Hochmittelalter kann man insgesamt, vor allem bei der Landbevölkerung einen sehr geringen Fleischkonsum anehmen. Der Getreideanbau spielt die übergeordnete Rolle. Rinder werden eher lange als Arbeitstiere gebraucht. Im Herbst wird Vieh geschlachtet um den restlichen Bestand durch den Winter zu bringen. Nur nach der Schlachtung kann frisches Fleisch zubereitet werden, danach steht logischerweise nur noch Pökelfleisch, Wurst und Schinken zur Verfügung. (3)
Nach der Agrarkrise in der ersten Hälfte des 14. Jhd. sinkt die Bevölkerung zwischen 1340 und 1440 von 53,9 auf 37 Mio. angenommene Einwohner in Europa durch Hunger und Pest. Zahlreiche Dörfer fallen in dieser Zeit wüst. Die Viehwirtschaft tritt allerdings deutlich in den Vordergrund und es entsteht ein florierender, europaweiter Viehhandel, um vor allem die aufblühenden Städte mit Fleisch zu versorgen. Hier kann der Prokopfverbrauch auch deutlich über dem heutigen liegen. (4)
Bei den obersten Ständen spielt Fleisch eine besonders wichtige Rolle, wie Berichte von Festtagsspeisen deutlich zeigen. Der Konsum wird aus Genuss und Prestige auf die Spitze getrieben.
Fisch
Um zu sehen in welchem Umfang mit Fisch, vor allem Stockfisch und Hering gehandelt wurde, kann man z.B. an den Zolleinnahmen der Stadt Lübeck erkennen. Zwischen 1398 und 1400 wurden 69.975,5 und 81.172,5 Tonnen Hering eingeschifft und umgeschlagen. Die Einfuhr des Stockfisches machte 90% des Handelsvolumens zwischen Bergen und Lübeck aus.(5)
Neben dem Großhandel mit Salzwasserfisch ergänzt natürlich auch der örtliche Süßwasserfisch die Speisekarte. Sogar Fischteiche werden schon seit dem Frühmittelalter angelegt um die Versorgung zu sichern.
Der hohe Fischkonsum lässt sich unter anderem mit den zahlreichen kirchlichen Fastentagen erklären. Während der eingehandelte Hering gepökelt und der Stockfisch getrocknet war, konnte im Binnenland auch der frisch gefangene Fisch gegrillt, gebraten oder gebacken werden. Die vielfältigen Zubereitungsarten werden in den frühen Kochbüchern des Spätmittelalters aufgeführt, wie beispielsweise im „buoch von guoter spise“